Ermstalbahn

Bad Urach-Wasserfall (km 8,7); Steffen Pfrang, 15.08.2002

Bahngeschichtlicher Abriss:

27.12.1873 Einweihung der Ermstalbahn
28.05.1976 Einstellung des Personenverkehr
  1984 Initiative „Pro Ermstalbahn“ bildet sich
05.07.1988 Gründung der Ermstal-Verkehrsgesellschaft mbH (EVG)
01.01.1994 Eisenbahninfrastruktur wird an die EVG verkauft
22.08.1995 Umfirmierung der EVG in Erms-Neckar-Bahn AG (ENAG)
24.05.1998 Touristikverkehr an Sonn- und Feiertagen wird wieder aufgenommen
31.07.1999 Eröffnungsfahrt
01.08.1999 Wiederaufnahme des regulären Schienenpersonenverkehr mit Regio-Shuttles (VT 650),
Einweihung drei neuer Haltepunkte (Dettingen-Lehen, -Freibad und -Gsaidt)
01.05.2001 Durchbindung der Züge an Samstagen, Sonn- und Feiertagen im 2-Stunden-Takt von und nach Reutlingen
04.03.2004 Haltepunkt Bad Urach Ermstalklinik wird eröffnet,
Streckengeschwindigkeit auf 80 km/h erhöht

Geschichte des Ermstals

Die Ermstalbahn damals …

 

Regionalgeschichte

Die Ermstalbahn von Metzingen nach Urach führt uns über klassischen Boden zurück in die Vorgeschichte des schwäbischen Urwaldes, zum Wasser, darin der Urtiertrank (Uraha), zu lustigen Jagdgründen, deren Erinnerung wenigstens noch im Wappen von Urach, dem Jagdhorn auf gelbem Felde, sich erhalten hat. In der Waldschlucht mit dem Auerochsen, im oberen Ermstal, scheint es den Römern nicht ganz geheuer gewesen zu sein, wenigstens hat man in Urach noch keine Reste dieses Volkes gefunden, aber in den sonnigen Auen von Metzingen hatte es sich angesiedelt, wie zahlreiche Votivsteine und Götterbilder beweisen, wonach dem höchsten Gott an der Armis (Erms) Gelübde gelöst wurden. Später ums Jahr 450 sollen Hunnen und Alemannen sich hier geschlagen und 761 die Franken einen großen Sieg über die Schwaben davongetragen haben, von denen 12 000 auf dem Metzinger Felde fielen. Wirklich hat auch der Bahnbau in dem Geschiebe der Erms Knochen von Menschen und Pferden, Waffentrümmer, Hufeisen u.s.w. zu Tage gefördert, die hohes Alter aufweisen.

Unser eigentliches Wissen um die Gegend datiert sich übrigens erst nach dem Jahre 1089, der Zeit der Stiftung des Klosters Zwiefalten, aus hinterlassenen Chroniken der Mönche. Als Erstes kulturgeschichtlich Wichtigstes erfahren wir aus diesen Berichten, dass das untere Ermstal um Metzingen, Neuhausen und Dettingen das eigentliche Weinland  der Grafen von Urach, Achalm und der Klöster Zwiefalten und Offenhausen war. Ohne Zweifel hatten die Römer schon die Rebe an die Erms gebracht, wenigstens schreibt Ammianus Marcellinus von der vitis elbena, die in Rhätten besser gerate als in Italien. Der Elbene oder Elbling ist aber bekanntlich ein so echt schwäbischer Name und am meisten noch am Albtrauf zu Haus, dass wir sicher nicht fehlgehen, den Weinbau nicht erst von der Zeit der Klöster abzuleiten. Vielmehr bewarben sich die Klöster um die längst vorhandenen Weinorte, wie z.B. Neuhausen eine Stiftung der Grafen von Achalm an Zwiefalten war. Dem Mönche muss es wunderbar wohl gewesen sein ums Herz, wenn er von Zwiefalten und Münsingen her in das Thal herabkam, um nach dem Stand der Weinstöcke zu sehen, denn er nennt es in seiner Chronik „ein Land gleich dem Land der Verheißung, fruchtbar, reich an Wein“.

Das letztere ist heute noch so wahr, als sonst. Metzingen, Neuhausen, Dettingen mit ihren 700 Morgen Rebland haben 1874 über 7000 Eimer Wein gemacht, während Stuttgart mit seinen 1700 Morgen nicht mehr als 2628 Eimer produzierte. 10 Eimer pro Morgen ist aber noch lange nicht das Höchste, was dort wächst, der Mittelertrag aus 45jährigem Durchschnitt sind 13 Eimer, doch weiß man auch Erträgnisse von 20 – 30 Eimer, ja die Chronik berichtet vom Jahr 1728, all wo 44 Eimer auf dem Morgen gewachsen seien. Allerdings hat die Hofkammer keine Weinberge mehr dort, aber die Grafen und Herzoge von Württemberg haben ihn einst hoch in Ehren gehalten. So schreibt Herzog Christoph seinem Kellermeister in Urach, ihm „rothen und weißen Metzinger zu schicken, da er sich noch süß trinke und rees sei“, und 1559 macht er dem Erzherzog Karl in Wien eine Verehrung mit „rothem Metzinger“.

Durch das ganze Mittelalter hindurch bleibt Urach, Schloss und Stadt, der Mittelpunkt der Gegend in der Hand des mächtigen Grafen von Urach, beziehungsweise Württemberg. Vor 500 Jahren hielt Graf Eberhard der Milde hier sein Beilager mit der Prinzessin Antonie von Mailand. Hier ist Eberhard im Barte geboren, der vor 400 Jahren hier seine glänzende Vermählung mit der schönen Barbara von Mantua feierte. Noch zeigt man in Urach die alte Brautbettlade Eberhards und die goldene Stube, noch steht auf dem Markte der Brunnen, aus dem 8 Tage lang Wein floss statt Wassers, als 14 000 Menschen zur Hochzeitsfeierlichkeit nach Urach kamen. Ebenso sind es jetzt 400 Jahre, dass die erste Papiermühle des Landes in Urach errichtet wurde, mit der der Papiermacher Antonio Threiner aus Castilien belehnt war, und eine der ersten Druckereien Schwabens durch Konrad Fyner von Gerhausen eingerichtet wurde. Im 30jährigen Krieg widerstand Urach 12 Tage lang den Österreichern, bis das Auffliegen ihres Pulverturms sie zur Übergabe nötigte, die mit der Plünderung der Stadt endete. Seither blieb Urach von Feinden verschont. 100 Jahre sind es jetzt, dass die Festung Hohenurach abgetragen ist, über welche der Volksmund noch ein Witzwort des Karl Herzog bewahrt. Als der Kommandant der Feste Sr. Durchlaucht meldete, dass nichts Neues vorgefallen sei, erwiderte der Herzog: „Bin froh wenn nichts Altes einfällt“. Indessen ist noch manches Alte ein= und noch manches Neue vorgefallen, die neueste Neuerung der Welt ist die Eisenbahn.

 

Streckenbeschreibung

Auf dem Bahnhof Metzingen (353,7 m ü. d. M.) schließt die Ermstalbahn an das dritte Schienengeleise der Staatsbahn an, biegt sofort in einem Bogen von 350 m Radius von derselben ab, um in einer Steigung von 1 : 90 und 1:90 das 10,4 km entfernte Urach zu erreichen.

Der nächste Ort ist Neuhausen, mit 1317 Einwohner, für welchen eine Horizontale von 206 m Länge mit einer Haltestelle vorgesehen ist. 700 Jahre lang war Neuhausen Eigentum des Klosters Zwiefalten gewesen, dessen geschätzter Weinort, wie oben schon ausgeführt ist. Das Terrain besteht hier lediglich aus dem Bergschutt, den die oft so gewaltige Erms von der Alb niederführt und in der Metzinger Ebene liegen lässt. Auf niederem Damm von Metzingen her, der sich nur beim Übergang über die Erms und deren Flutgebiet bis zu 8 m Höhe erhebt und später in einem Einschnitt steigt die Bahn allmählich hinan. Die Erms ist mittelst einer 14 m breiten Brücke mit eisernem Oberbau überbrückt, die Brücke über die Staatstraße ist 10 m breit, beide hat die Maschinenfabrik Kirchheim erstellt.

In Dettingen ist eine Station 397,36 m. Auf der 330 m langen Horizontale steht ein einfaches Stationsgebäude nebst Güterschuppen, Nebengebäude und Bodenwage. Die Gemeinde legt einen Zufahrtsweg aus der Mitte des Dorfes an. In Dettingen mit seinen 2866 Einwohnern haben wir eines der größten und wohlhabendsten Dörfer des ganzen Königreichs, auf dessen Markung 80 000 Obstbäume stehen. Es ist aber nicht nur durch seine Wein= und Obstkulturen seit alter Zeit bekannt, sondern auch durch seine mannhaften Bürger, die es mit Urach stets treulich meinten, und so oft auch ein Feind gegen Urach zog, den ersten Stoß parierten. So widerstand Dettingen dem Oberst Buttler 1634 und lieferte ihm ein hartnäckiges Gefecht, in welchem 94 Dettinger Bürger und 30 Knechte fielen. Noch viel mehr starben aber im nächstfolgenden Jahr an der Pest, da von Mitte Juli bis Mitte September 538 Menschen weggerafft wurden. Seit dieser Zeit blieb Dettingen von schweren Plagen verschont, wenn man von dem häufigen Wetterschaden absieht, der leider nur gar zu oft die Hoffnungen des Jahres zerstört. In den 20er Jahren z.B. hatte das Wetter neunmal geschlagen.

Am Ende der Station Dettingen beginnt die Bahn 1 : 83,3 zu steigen und schneidet zunächst 4 m tief in das braune Beta ein und zugleich in einen Bierkeller, der aufgegeben werden musste. Ein 600 m langer, 3 m hoher Damm, in welchem eine Wegdurchfahrt mit eisernem Oberbau liegt, wechselt sodann mit einem kleinen Einschnitt und führt zu einer Horizontale (415 m), welche in der Nähe der Werner’schen Papierfabrik angelegt ist, um nötigenfalls eine Haltestelle für diesen Industrieplatz zu haben. Auf kleinen Dämmen oder in niedrigen Einschnitten führt die Bahn 1 : 80 durch das Feld der Uracher Bleiche am sanften Gehänge hin über den Brühlbach und den Weg nach Güterstein. Mit dem steileren Talgehänge wurden auch die Erdarbeiten bedeutender, Dämme wechseln mit einseitigen Anschnitten, worunter der am Fuße des Schlossbergs in den Impressathonen des weißen Juras der bedeutendste ist.

Der Bahnhof Urach liegt auf einer 435 m langen Horizontale 463 m ü. d. M. auf dem linken Ermsufer im sog. Tiergarten, gegenüber dem alten herzoglichen Schloss. Herzog Christoph hatte hier vergebliche Versuche gemacht, Gämse zu akklimatisieren, die ihm der Herzog von Bayern lieferte. Auf dem Bahnhof steht eine Lokomotivremise für 3 Maschinen mit einer Wasserstation und kleinen Werkstätte, ein zunächst provisorisches einstöckiges Verwaltungsgebäude, Güterschuppen und Nebengebäude. Hier wird das Fahrmaterial der Bahn beherbergt, das zunächst in den 3 Tendermaschinen mit je 400 Ctr. Gewicht besteht, aus 6 Personen= und 3 Güterwagen, welches die Maschinenfabrik Esslingen geliefert hat. 3 durchlaufende Geleise samt dem Güterschuppengeleis und ausgedehnte Lagerplätze werden dem Verkehr genügen.

 

Quelle:

„Württembergs Eisenbahnen mit Land und Leuten an der Bahn“
von Dr. Oscar Fraas
E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1880.
Unveränderter Nachdruck bei Edition Erdmann in K. Thienemanns Verlag, Stuttgart und Wien 1987.

Professor Dr. Oscar Fraas, * 1821 in Lorch/Württemberg, † 1897 in Stuttgart, war Pfarrer in Laufen a/d Eyach und Leiter des Naturalienkabinetts in Stuttgart, dessen paläontologische Sammlung sein Hauptwerk ist. Prof. Dr. Fraas war beteiligt an der geologischen Aufnahme des Königreich Württemberg, beschäftigte sich mit Höhlenforschung und erwarb sich bleibende Verdienste um die Alb-Wasserversorgung.

 

… und heute

 

An der Streckenführung der Ermstalbahn hat sich gegenüber vorstehender Beschreibung von 1880 nichts Grundlegendes geändert! Die Besiedlung des Ermstal hat zugenommen, viele der Dettinger Obstbäume sind der Bebauung zum Opfer gefallen; mit Wiederinbetriebnahme der NEUEN ERMSTALBAHN bedarfsgerecht vermehrt wurde die Anzahl der Bahnstationen:

In Dettingen kam der Haltepunkt „Dettingen Lehen“ hinzu, die frühere Station „Dettingen“ wurde zur kombinierten Omnibus- und Bahnstation „Dettingen Mitte“ umgebaut, und nahe des Dettinger Freibades wurde die Haltestelle „Dettingen Freibad“ eingerichtet. Die bereits ursprünglich vorgesehene Anschluss-Station für die Werner’schen Papierfabrik ist längst mit Ausweich-, Abstell- und Anschlussgleisen ausgestattet; die heute zum Arjo-Wiggins-Konzern gehörende Papierfabrik ist nach wie vor guter Güterkunde der Ermstalbahn. An dieser Stelle wurde nun auch eine Haltestelle für den Personenverkehr angelegt: „Dettingen Gsaidt“.

Schon früher vorhanden war die Haltestelle „Bad Urach Wasserfall“ mit beträchtlicher Bedeutung im Ausflugsverkehr. Durch seine Nähe zum Bad Uracher Kurzentrum hat die Bedeutung dieses Haltepunktes aber eine neue Dimension erhalten, was auch durch die neue erstellte großzügige Park & Ride – Anlage zum Ausdruck kommt. Ein weiterer Haltepunkt folgt in Bad Urach nahe der Brücke zur Jugendherberge: „Bad Urach Ermstalklinik“.

Der End-Bahnhof „Bad Urach“ wurde gegenüber früheren Zeiten beträchtlich redimensioniert; seine Anbindung an das 1935 aus Seeburger Tuff errichtete Bahnhofsgebäude und den danebenliegenden großen Omnibus-Bahnhof wurde leider durch die neuangelegte Bundesstraße 28 zerschnitten, unter welcher aber eine Unterführung zur neuen Endstation angelegt wurde. Die im Jahre 1919 eröffnete 1,2 km lange Anschlussbahn von Urach ins Seeburger Tal hinein zur Künkelemühle ist heute ebenfalls vom Schienenstrang abgeschnitten. Die heutige Endstation der Ermstalbahn ist allerdings so angelegt, dass dem bereits vor über 120 Jahren geplanten Weiterbau der Strecke nach Münsingen nichts im Wege stünde.

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